Jeder kennt den Besprechungswahnsinn – ein Meeting jagt das andere, Teilnehmer ohne Ende, nur die Ergebnisse fehlen. Somit erscheint es erst einmal nicht intuitiv, mehr Besprechungen zu empfehlen.
Genau das tun wir hier aber.
Denn eines der wirksamsten Mittel, um die Effizienz zu steigern, sind meistens hochfrequente Team-Meetings – sofern sie richtig durchgeführt werden.
Was meinen wir mit „richtig“?
- Je nach Teamgröße (ideal ca. 10 Kollegen) und Situation mindestens ein Meeting täglich
- Dauer ca. 15 Minuten (natürlich kann man früher Schluss machen, wenn es nichts mehr zu sagen gibt)
- Format: Alle stehen (plattdeutsch „Standup“) und zwar vor einer Tafel oder einem Flipchart
- Klare Agenda mit Fokus auf „Wer macht was, von wann bis wann?“
- Auch bekannt unter Scrum, Agile, Lean oder anderen mehr oder weniger modischen Methoden
- Gerne moderiert durch ein Teammitglied (im Idealfall Rotation)
Jedes erfolgreiche Team – ob Bundesliga-Fußballmannschaft oder Feuerwehrlöschtrupp – nutzt kurze Besprechungen vor dem Einsatz. Maßgeblich geht es darum, Prioritäten zu klären (z. B. Angriff über Flanke oder Oma im Dachgeschoss) und Aufgaben zu verteilen. Klingt also ähnlich wie das, was uns im Katastrophengebiet Büro auch oft helfen würde.
Was bedeutet der Fokus auf „Wer macht was, von wann bis wann“?
Ganz einfach: Jeder sagt kurz (oder hat dies bereits am Teamboard mittels Post-it o. ä. vermerkt), was er sich für heute vorgenommen hat. Fortgeschrittene schätzen dazu kurz ab, wie lange sie ungefähr für die wichtigsten Aufgaben brauchen werden. (Organisationen, die eine Lean-Welle hinter sich gebracht haben, reden manchmal vom „Kapazitätsmanagement“.)
Das hat viele Vorteile:
- Jeder weiß, woran die Teamkollegen arbeiten. Fragen zur Wichtigkeit oder Dringlichkeit von Tätigkeiten können somit auf den Tisch gepackt und geklärt werden.
- Falls das Team die anstehende Arbeit mit Bordmitteln nicht schaffen kann, wird das transparent für alle.
- Falls es nicht genug Arbeit gibt, um das Team voll auszulasten, wird das auch allen klar.
- In beiden Fällen kann das Team sich rechtzeitig überlegen, wie es mit den Problemen umgehen will.
- Zudem wird offenkundig, welche Aufgaben die wesentlichen Zeitfresser sind. Das sind oft Themen, bei denen sich ein tieferes Verständnis der problematischen Abläufe lohnt (z.B. über Analysen des Workflows)
Um den letzten Punkt etwas greifbarer zu machen: Beispielsweise führten wir tägliche Besprechungen einmal in einer Abteilung hochgebildeter und erfahrener Rechtsanwälte ein (die dieser Art der Kommunikation selbstverständlich äußerst skeptisch gegenüberstanden). Diese Anwälte arbeiteten ihre Briefe (bei Rechtsstreitigkeiten des Konzerns) typischerweise tage- oder wochenlang aus.
In den Team-Meetings vereinbarten wir also, dass am Ende jeden Tages die Entwürfe der jeweils am längsten währenden Briefe mit den Kollegen geteilt werden sollten. Oft stellte sich dann heraus, dass die Entwürfe schon gut genug für den nächsten Schlagabtausch mit der gegnerischen Partei waren, oder ein Kollege hatte eine gute Idee zur Abkürzung (z.B. eine Referenz auf ein bestimmtes Urteil). Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer reduzierte sich erheblich.
Um zu verhindern, dass die Qualität des Schriftverkehrs sinkt, etablierten wir übrigens gleichzeitig noch eine Kennzahl zur Messung dieser (in diesem speziellen Fall ging es um die Anzahl der Iterationen zwischen den Rechtsparteien – eine gut geschriebene Stellungnahme wird seltener angefochten). Zu Team-Kennzahlen in einem anderen Beitrag mehr, auch ein spannendes Thema.
Ein typisches Problem im Alltag ist ja auch, dass es genau einen Spezialisten im Team für bestimmte Aufgaben (oft Softwareanwendungen oder Kundenfragen) gibt, und der- oder diejenige heute krank ist. Das Teamboard ist eine gute Gelegenheit, solche Risiken aufzuzeigen und die größten davon strukturiert über zielgerichtete Weiterqualifizierungen anzugehen.
Warum eigentlich tägliche Team-Meetings?
Wäre einmal die Woche nicht auch ausreichend? Tatsächlich ist ein großer Teil des Geheimnisses die schnelle Rückkopplung, die eine schnelle Reaktion des Teams erlaubt. Beispielsweise könnte ein Mitarbeiter Hilfe benötigen oder eine dringende Kundenanfrage erfordern, dass andere Aufgaben hintenangestellt werden. Der zeitliche Abstand zwischen den Team-Meetings wirkt daher wie ein Totzeitglied in der Regelungstechnik – je mehr Zeit vergeht, desto langsamer reagiert das Team im Durchschnitt. Das ist wie die Taktzeit des Computerchips. Anders ausgedrückt: Wenn man schon mit dem Auto auf dem Parkplatz steht, muss man nicht so häufig bremsen, um einen Unfall zu vermeiden. Aber je schneller man unterwegs ist, desto öfter muss man Lenkrad, Gas- und Bremspedal in kürzeren Abständen nachjustieren, um sicher voranzukommen.
Außerdem soll im Idealfall auch aus den Problemen gelernt werden, die im Team aufgetreten sind. Und erfahrungsgemäß kann sich jeder noch ganz gut an gestern erinnern. Aber am Freitag noch zu wissen, was am Montag passiert ist, erfordert oft das mentale Äquivalent von einarmigen Handständen. Bei wöchentlichen Teamreviews gibt es im Normalfall daher wenig konkrete Problembeschreibungen und jede Menge Pauschalaussagen.
Die ganz hohe Kunst ist natürlich, aus falschen Aufwandsabschätzungen zu lernen.
Beispiel: Ein Mitarbeiter schätzt ab, ca. 6 Stunden für die Programmierung einer bestimmten Funktion inkl. Tests und Deployment zu benötigen. Vielleicht informiert er dann am nächsten Tag das Team, dass die Funktion viel schneller abgebildet werden konnte – zum Beispiel, weil er einen neuen Shortcut fand, der für andere Kollegen auch interessant ist. Oder er brauchte deutlich länger, als geplant – dann kann auch das zu neuen Erkenntnissen führen, von denen das Team lernen kann.
Hört sich theoretisch an? Ist es nicht!
Das gibt es schon in vielen Unternehmen. Es geht einfach darum, den Lern- und Verbesserungsprozess zu systematisieren und kurz getaktet zu beschleunigen.
Apropos Zeit: Führt es nicht direkt zu weniger produktiver Zeit, weil mindestens 5×15 = 75 Min pro Woche für Meetings aufgewendet werden? Unserer Erfahrung nach gilt das genaue Gegenteil: Andere Meetings können gekürzt werden und tagsüber geht weniger Zeit für spontane Abstimmungen verloren.
Gilt das für Start-Ups genauso wie für Megakonzerne?
Absolut! Das funktioniert sogar mit Kunden und Lieferanten, nicht nur mit eigenen Beschäftigten.
Ähnliche Erfahrungen oder komplett andere Meinung? Immer gerne her damit! Wir freuen uns auf Kommentare.
2 Antworten