Im Laufe meines Beraterdasein habe ich mit vielen wechselnden Kollegen und Kliententeams gearbeitet. Immer gab es Zeitdruck. Dabei habe ich für mich nach und nach einen eigenen Ansatz für Vertrauen entwickelt. Mit diesem Ansatz habe ich sehr gute und vor allem ziemlich schnell Erfolge erzielt. Deshalb möchte ich meine Erfahrungen und den Ansatz mit Euch teilen.
Wie läuft es normalerweise ab?
Das Vertrauen eine Herausforderung für Führungskräfte ist, zeigt die Anzahl an Beiträgen zu diesem Thema im Netz. „10 wirksame Methoden, wie Chefs das Vertrauen ihrer Mitarbeiter zerstören“ oder „So gewinnen Führungskräfte das Vertrauen ihrer Mitarbeiter“. Alle halten Tipps bereit, damit Führungskräfte ihr Vertrauen gegenüber ihren Mitarbeitenden (wieder) aufbauen oder nicht zerstören. Vertrauen aufbauen? Klingt also so, als ob sich da jemand erstmal etwas verdienen müsste – sei es nun der Vorgesetzte oder das Team. Mit der Zeit bekommen die einzelnen Teamangehörigen immer mehr Aufgaben und Verantwortung übertragen, so dass sie durch die gewissenhafte Bearbeitung oder Wahrnehmung (im Sinne der Führungskraft) das entgegengebrachte Vertrauen bestätigen können.
Jedes Mal aufs Neue, werden die Resultate überprüft. Erst wenn die nächste „Vertrauensstufe“ erreicht wurde, gibt es Aufgaben und Verantwortung des nächsten Schwierigkeitsgrades. So geht es weiter bis (hoffentlich) irgendwann so etwas wie ein Maximum an Vertrauen erreicht wurde. Falls mal ein Check negativ ausfällt, gibt es im besten Fall Feedback – im schlechtesten stürzt ein Mitarbeiter in der Vertrauensskala ab und hat es nun noch schwerer, das volle Potenzial abzurufen. Das Ergebnis sind langwierige Prozesse bis zum vollen Abrufen des Potenzials, eingeschränkte Mitarbeiter sowie Führungskräfte, die noch viel fachlich arbeiten. Letzteres, weil sie die Aufgaben aufgrund fehlendem Vertrauenslevel im Team nicht delegieren wollen bzw. können. Ich nenne dieses Vorgehen „Aufbauendes Vertrauen“. Welche Alternative gibt es dazu?
Lerne Deinem Team zu vertrauen
Ganz anders sieht es beim Vorgehen „Grundvertrauen“ aus, und zwar, wenn Du als Führungskraft Deinem Team direkt volles Vertrauen schenkst. Nicht nur, dass Du alle erforderlichen Informationen mit ihnen teilst, sondern Du überträgst ihnen auch direkt die anspruchsvollen und wichtigen Aufgaben. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten, die Du für sie erwartest und etwas darüber hinaus. Natürlich nicht ohne regelmäßige Termine oder Gespräche, in denen sie Dir den Stand ihrer Aufgaben schildern oder bei Bedarf mit Dir ihre Probleme lösen können. In diesen Gesprächen kannst Du ihnen auch direkt Feedback geben, so dass Deine Mitarbeitenden wissen, woran sie sind, im positiven Sinne oder sich wieder steigern können, ohne gleich völlig auf der „Vertrauensskala abzustürzen“.
Diesen Ansatz habe ich in meinen Beraterteams angewendet, schließlich waren die Klienten und vor allem die Kollegen ja nicht ohne Grund im Team. In vorab definierten Terminen konnte ich mich vom Stand der Bearbeitung der Aufgaben (gegen Plan, meinen Vorstellungen und den Anforderungen des Klienten) überzeugen und konnte ihnen durch Coaching bei der Lösung ihrer Roadblocks helfen.
Vorteile von Grundvertrauen
Du wirst schnell merken, wie sehr sich Dein Vertrauen auszahlt, weil Dich Dein Team und die einzelnen Kollegen mit ihrer (von Dir so nicht erwarteten) Leistung überraschen. Für mich hatte dieses Vorgehen bisher immer immense Vorteile:
- So wie Du Deinem Team direkt vertraust, so schenken auch sie Dir sofort ihr Vertrauen.
- Durch das sofortige Verteilen aller Aufgaben auf das gesamte Team, seid ihr schneller auf Geschwindigkeit und könnt somit mehr erreichen.
- Weil Du mehr Tätigkeiten abgeben kannst, hast Du mehr Zeit für die anderen Teamangehörigen oder andere wichtige Aufgaben.
- Für herausragende Leistungen ist freies Denken und Handeln der Teamangehörigen super wichtig. Genau das erreichst Du, indem Du ihnen Freiheiten lässt, die Aufgaben nach ihren Vorstellungen zu lösen, ohne dass sie ständig darüber nachdenken: „Wie würde das der Chef wohl machen?“ oder „Welches Vorgehen erwartet der Chef von mir?“.
- Die Teamangehörigen gehen neue Wege, jene, die Du so selbst nicht erwartet hast.
Selbstverständlich birgt dieses Vorgehen auch Risiken. Dazu gehören der Missbrauch Deines Vertrauens, Nicht-Erreichen von erwarteten Zielen und Leistungen, anfängliche Verzüge in der Planung. All das kannst Du jedoch durch die regelmäßigen Termine mit Deinem Team minimieren. Zudem darfst Du bei der Anwendung auch gerne auf Deine Menschenkenntnis und Deinen Common Sense zurückgreifen – Vorurteile und Schubladendenken wären dabei jedoch ziemlich kontraproduktiv.
Vertrauen und Coaching
Die zuvor angesprochenen Termine zur Statusprüfung und zur Problemlösung sind die Schnittstelle des Vorgehens zum Coachingansatz. Beides geht also Hand in Hand. Du schenkst Deinem Team das Vertrauen, anspruchsvolle Aufgaben auf ihre Art und Weise zu lösen und coachst sie dabei. Diese Kombination hat sich für mich als unschlagbar erwiesen.
Ich bin gespannt auf Deine Erfahrungen. Hast Du ein ähnliches Vorgehen? Kannst Du Dir vorstellen, Deinem Team direkt alles zu bzw. anzuvertrauen? Bitte schreibe es in die Kommentare oder schreibe mir eine E-Mail.
2 Antworten